Die Waffe der Willkürprozesse gegen Kritiker

Über das Phänomen von SLAPP-Prozessen in Europa (Strategic Lawsuits against Public Participation)

Als ich Anfang 2020 vor Gericht gezerrt und gezwungen wurde, mein Recht auf freie Meinungsäußerung in einem Strafprozess zu verteidigen, nahm ich auch die Arbeit an diesem Buch auf. Natürlich wusste ich bereits damals, dass das, was wir in Südtirol erlebten, in Wahrheit sehr häufig geschieht. Mächtige Einzelpersonen, Unternehmen oder politische Organisationen zerren Aktivist:innen und Journalist:innen, NGOs und Medien vor Gericht, weil ihnen nicht passt, was diese zu sagen haben. Das Ziel solcher Klagen besteht darin, Kritiker:innen einzuschüchtern und zum Schweigen zu bringen – und sehr oft gelingt das auch. 

Bei meinen Recherchen erfuhr ich, dass solche Klagen und Prozesse auch einen eigenen Namen haben. Man nennt sie SLAPPs. Diese Abkürzung steht für ‚Strategic lawsuits against public participation‘ (Strategische Klage gegen öffentliche Beteiligung). Der Begriff SLAPP klingt im Englischen wie das Substantiv ‚slap‘ (Schlag, Ohrfeige). 

Das primäre Ziel von SLAPP-Klagen ist niemals der Sieg vor Gericht. Es geht nicht darum, die eigenen Rechte durchzusetzen, sondern immer nur darum, kritische Stimmen zu behindern. Die Einschüchterung von Kritiker:innen erfolgt einerseits durch die Forderung von oft unverhältnismäßig hohen Schadensersatzsummen und andererseits durch den hohen Geld- und Zeiteinsatz, der mit solchen Prozessen verbunden ist. SLAPPs zielen immer auch darauf ab, die Ressourcen der Beklagten zu erschöpfen. 

In den USA traktieren Unternehmen ihre Kritiker:innen schon seit den 80er Jahren mit solchen Schlägen. Dass SLAPPs aber auch in Europa immer häufiger eingesetzt werden, zeigt ein Bericht des Europäischen Parlaments aus dem Jahr 2018. Eine weitere Studie aus dem Jahr 2021 zog eine 10-Jahres-Bilanz und zählte insgesamt 570 gesicherte SLAPP-Fälle in 29 europäischen Ländern. Im Jahr 2019 kam es dabei zu einem Anstieg um 43,5 Prozent. Im Jahr 2020 um weitere 15,2 Prozent. 

SLAPPs werden nicht nur zu einer wachsenden Bedrohung für die Meinungsfreiheit, sondern auch für die Demokratie, da sie dazu führen, dass wichtige öffentliche Debatten unterdrückt werden. 

Wie ernst diese Bedrohung mittlerweile geworden ist, zeigt ein Blick auf einige weitere Zahlen und Fälle. In Italien wurden allein im Jahr 2017, in dem auch wir angezeigt worden waren, 9.479 strafrechtliche Verleumdungsklagen eingereicht. Zwei Drittel davon wurden noch vor der Eröffnung eines Gerichtsverfahrens abgewiesen. Nicht enthalten in diesen 9.479 Klagen auf Basis des Strafrechtes sind zivilrechtliche Klagen. Auch außergerichtliche Einigungen fehlen. Viele SLAPP-Fälle werden auch deshalb nie bekannt, weil sich die Opfer davor fürchten, öffentlich darüber zu sprechen. 

Federica Angeli, eine italienische Enthüllungsjournalistin, gewann im Dezember 2019 ihre 111. Verleumdungsklage. Wegen ihrer journalistischen Arbeit lebt sie unter Polizeischutz, ebenso wie der berühmte Journalist und Autor Roberto Saviano, der selbst von dem Rechtspopulisten Matteo Salvini wegen Verleumdung verklagt worden war. Auch Amalia De Simone, eine weitere italienische Enthüllungsjournalistin, sah sich bereits mit einer langen Reihe von strafrechtlichen Verleumdungsklagen konfrontiert. Jeder einzelne dieser Fälle wurde von der Staatsanwaltschaft abgewiesen. Doch die Kläger legten routinemäßig Berufung gegen diese Abweisungen ein, um die Verfahren künstlich in die Länge zu ziehen und die Beklagten finanziell und psychisch möglichst lange zu belasten. 

Für viele Journalist:innen gehören solche Einschüchterungsversuche auch in Deutschland zum Alltag. Laut der European Federation of Journalists sind die Rechtsabteilungen deutscher Medien im Durchschnitt mit drei Schreiben pro Woche konfrontiert, in denen mit gerichtlichem Vorgehen oder Schadenersatzforderungen im Falle von bestimmten Veröffentlichungen gedroht wird. 

SLAPPs richten sich allerdings nicht nur gegen Journalist:innen und Medien. Auch Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) wie das Umweltinstitut München gehören regelmäßig zu den Zielen dieser Angriffe. 

In Deutschland wurden zum Beispiel die Aktivist:innen von SumOfUs im November 2019 wegen eines friedlichen Protests vor dem Hauptsitz von PayPal verklagt. SumOfUs hatte das Online-Bezahlunternehmen dazu aufgefordert, das Konto der rechtsextremen Gruppe ‚Pro Chemnitz’ zu schließen. Wie das Umweltinstitut München, hatte auch SumOfUs mit einem eindeutig satirischen Plakat protestiert. Trotzdem erhob das Unternehmen den Vorwurf der Verleumdung und behauptete, das Plakat stelle eine Verletzung des Markenrechts dar – genau wie im Südtiroler Pestizidprozess. 

SumOfUs reagierte offensiv und publizierte den Fall in den Sozialen Medien. Das zeigte Wirkung. Zwei Wochen nach dem Plakatprotest entfernte PayPal ‚Pro Chemnitz’ von seiner Zahlungsplattform. Die Klage gegen SumOfUs wurde fallen gelassen.

Quer durch Europa gibt es viele weitere Beispiele dafür, wie Unternehmen NGOs attackieren. Die kroatische Tochtergesellschaft des niederländischen Unternehmens Elitech verklagte die Umweltschutzgruppe ‚Friends of the Earth Croatia’ wegen deren Kampagne gegen ein Golf-Resort in Dubrovnik. Die Kläger wollten die kroatische NGO per Gerichtsbeschluss daran hindern, sich weiterhin in der Öffentlichkeit über das Projekt zu äußern. Damit wären allerdings grundlegende demokratische Freiheiten verletzt worden.

Im März 2015 reichte die NGO Sherpa in Frankreich eine Beschwerde gegen Vinci Construction Grands Projets und die Manager ihrer katarischen Tochtergesellschaft QDVC wegen Vorwürfen von „Zwangsarbeit, Knechtschaft und Verschleierung“ auf ihren Baustellen in Katar ein. Der Baukonzern Vinci antwortete mit einer Verleumdungsklage gegen die Nicht-Regierungsorganisation. 2018 wiederholte Sherpa seine Anschuldigungen zusammen mit dem Komitee für moderne Sklaverei und sieben ehemaligen Arbeitern aus Indien und Nepal.

Um den Erfolg von SLAPP-Attacken zu erhöhen, werden oft auch einzelne Aktivist:innen angegriffen, die nicht durch eine Organisation oder Institution geschützt sind. In Portugal zum Beispiel wurde der Umweltaktivist Arlindo Marquês von der Zellstofffabrik Celtejo auf 250.000 Euro Schadenersatz verklagt. Sein Verbrechen? Er hatte auf die Verschmutzung des Flusses Tejo durch die Fabrik hingewiesen und dafür Video- und Fotobeweise in Sozialen Netzwerken publiziert. 

Marquês bezeichnete die Methoden, die das Unternehmen gegen ihn einsetzte, später als „psychologischen Terrorismus“. Die Vorwürfe des Umweltaktivisten wurden schließlich durch Beweise der portugiesischen Umweltbehörde untermauert. Im März 2019 zog Celtejo seine Verleumdungsklage zurück, nachdem das Unternehmen viel negative Publicity erhalten hatte.

Auch in der Slowakei wurde ein Umweltaktivist, Ján Šimún, wegen Verleumdung verklagt. Seit Jahren hatte Ján Šimún beobachtet, wie aus einem Gebiet mit drei Deponien, das nur einen Kilometer von der Stadt Dolný Kubín entfernt liegt, Arsen in den Fluss Orava gelangte. Nachdem er im Juni im Stadtrat von Dolný Kubín über das vergiftete Wasser gesprochen hatte, verklagte ihn das für die Deponien zuständige Unternehmen.

Ähnlich erging es dem spanischen Umweltaktivisten Manuel García, den der Massentierhalter Coren auf 1 Million Euro Schadenersatz verklagte. García hatte in einer 2019 ausgestrahlten Fernsehsendung über die mutmaßlich illegalen Praktiken von Coren gesprochen, die zu einer Verschmutzung des Stausees ‚As Conchas‘ führten. Zuvor bereits hatte Coren damit gedroht, Aktivist:innen und Wissenschaftler:innen zu verklagen, die die Nitratwerte in den örtlichen Gewässern untersucht hatten.

Denn auch Wissenschaftler:innen sind den Übergriffen mächtiger Unternehmen oder Institutionen oft weitgehend schutzlos ausgeliefert. Der Verfassungsrechtler Wojciech Sadurski, Professor für Rechtswissenschaften an der Universität von Sydney in Australien und an der Universität von Warschau in Polen, sieht sich zum Beispiel mit drei straf- und zivilrechtlichen Verleumdungsklagen konfrontiert, die auf Twitter-Beiträgen beruhen, in denen er die polnische Regierungspartei PiS und die staatliche Rundfunkanstalt kritisiert hatte. Verliert Sadurski, kommen zu den möglichen Geldstrafen noch die Forderung nach einer kostenpflichtigen Entschuldigung auf der Homepage eines großen Nachrichtenportals sowie erhebliche Anwaltskosten auf ihn zu. Im Falle der strafrechtlichen Verleumdungsklage droht ihm außerdem eine Haftstrafe von bis zu einem Jahr. 

In einem Interview schätzte Sadurski, dass die Zusammenarbeit mit seinen Anwälten, die Diskussionen mit ihnen und der Prozess selbst inzwischen etwa 40 Prozent seiner Arbeitszeit in Anspruch nahmen. Sadurski verwies auch auf die menschenrechtliche Dimension seines Falles: „Mein Recht auf freie Meinungsäußerung nach Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention wird systematisch und eklatant verletzt“, sagte er.

Nicht immer sind es Unternehmen oder politische Akteure, die vor Gericht auf ihre Kritiker:innen losgehen. Manchmal sind es auch superreiche Privatpersonen. Im Vereinigten Königreich verklagte der millionenschwere Geschäftsmann und Leave.EU-Gründer Arron Banks die bekannte Autorin und Journalistin Carole Cadwalladr. Bevor sie selbst verklagt wurde, hatte sie die Praktiken von Arron Banks kritisiert: „Bislang war Arron Banks’ Strategie gegenüber der Presse die folgende: Wenn ihm nicht gefällt, was sie sagen, beauftragt er seine Anwälte bei Mishcon de Reya und droht mit einer Klage. Er drohte, wegen eines Atlantic Council Reports zu klagen, in dem er in einem Artikel mit dem Titel ‚The Kremlin’s Trojan Horses‘ erwähnt wurde. Er drohte, den Guardian zu verklagen, weil der in den Panama Papers auch die Geschäftsbeziehungen von Arron Banks veröffentlicht hatte. Er drohte damit, eine Zeitung zu verklagen, die ihn mit Geschäftsinteressen in Belize in Verbindung brachte. Und er drohte auch einen Kommentator von CNN zu verklagen, weil er bestimmte Aussagen über ihn gemacht hatte, die ihm nicht gefielen.“

Der ehemalige US-Präsident Donald Trump, der selbst gerne SLAPPs anstrengt, beschrieb seine Motivation für diese Art von Prozessen folgendermaßen: „Ich habe ein paar Dollar für die Anwaltskosten ausgegeben, aber der Beklagte hat viel mehr ausgegeben. Ich habe es getan, um ihm das Leben zur Hölle zu machen, und darüber bin ich glücklich.“ 

Die aggressive Ausnutzung des Macht- und Ressourcengefälles zwischen den Prozessparteien ist ein Hauptmerkmal vieler SLAPP-Klagen. Da diese Form des Justizmissbrauchs Hochkonjunktur hat, haben sich einzelne Anwaltskanzleien auf SLAPP-Fälle spezialisiert. Eine Handvoll Kanzleien wie Mishcon de Reya und Carter-Ruck im Vereinigten Königreich betreuen dort beinahe alle größeren Klagen.

Bevor sie Prozesse anstrengen, versenden solche Kanzleien Drohbriefe zur Einschüchterung von Journalist:innen oder Aktivist:innen, die sie ins Visier genommen haben. Das klingt dann etwa so: „Unser Mandant hat Anspruch auf eine Entschuldigung, eine Entschädigung und einen Kostenersatz […] Die Haltung unseres Mandanten zu diesen Rechtsmitteln wird von Ihrer Antwort auf dieses Schreiben abhängen.“

Ihre Klagen reichen diese Kanzleien oft an Gerichtsplätze ein, die für sie besonders günstig sind, und nicht am Sitz des Beklagten. Diffamierungsklagen zum Beispiel können auch an jenem Ort eingereicht werden, wo das angebliche diffamierende Verhalten stattgefunden hat oder wo die Verleumdung Auswirkungen hatte, wo sie also gehört, gelesen oder anderweitig verbreitet wurde. Vor allem das Vereinigte Königreich ist deshalb zum Ziel für ‚Prozesstourismus‘ geworden, weil die britischen Verleumdungsgesetze besonders streng sind. Ein für die Kläger positiver Begleitumstand: Prozesse im Vereinigten Königreich sind für den Beklagten besonders teuer.

Manchmal genügt daher bereits die Androhung einer Klage, um die eigenen Ziele zu erreichen. Die Kosten der Verteidigung können so hoch sein, dass sich Journalist:innen, Zeitungen und NGOs bereit erklären, Inhalte zu löschen oder zu ändern, um die drohende Klage abzuwenden. Die maltesische Zeitung „Malta Today“ hat zum Beispiel eigenen Aussagen zufolge Artikel zurückgezogen, „nicht weil sie falsch waren, sondern weil die Zeitung sich die astronomischen Kosten eines Rechtsstreits in den Vereinigten Staaten [wo die Klage eingereicht wurde] nicht leisten konnte“.

Jodie Ginsberg, Geschäftsführerin von ‚Index on Censorship‘, einer internationale Organisation, die sich für die Verteidigung der Meinungsfreiheit und für den Schutz von Journalist:innen und Künstler:innen einsetzt, betont, dass solche Klagen ein besonders großes Problem für unabhängige Medien und kleinere Organisationen darstellen: „Sie sind finanziell belastend und ihre Bearbeitung kann Jahre dauern. Angesichts des drohenden langwierigen Rechtsstreits und der teuren Anwaltskosten werden viele, die solche Drohungen erhalten, einfach zum Schweigen gezwungen.“

Die maltesische Journalistin Daphne Caruana Galizia, bekannt für ihre Berichte über politische Korruption, Nepotismus, Geldwäsche, organisierte Kriminalität und ihre Beiträge zu den Panama Papers, sagte dazu: „Für diejenigen, die unnötig Klage einreichen, gibt es keine Strafe. Selbst dann nicht, wenn sie verlieren. Der Journalist jedoch, der verklagt wird, muss einen Anwalt bezahlen, der ihn verteidigt, Gebühren für die Einreichung einer formellen Antwort auf die Klage zahlen und über mehrere Jahre hinweg zu vielen Gerichtsverhandlungen erscheinen.“ 

Selbst wenn eine verklagte Journalistin schließlich von dem Vorwurf der Verleumdung freigesprochen wird, hat sie einen hohen Preis in Form von Stress, verschwendeter Zeit und ausgegebenem Geld gezahlt. Ihre Kläger werden dabei versuchen, diesen Preis in die Höhe zu treiben, indem sie das Verfahren in die Länge ziehen, indem sie beispielsweise zu Gerichtsterminen nicht erscheinen oder trotz geringer Erfolgsaussichten jede Entscheidung eines Gerichts anfechten.

SLAPPs treten am häufigsten in Form von Verleumdungsklagen auf, können aber auch viele andere Formen annehmen. Im Vereinigten Königreich werden Verleumdungsklagen zunehmend von Klagen zum Schutz der Privatsphäre und des Datenschutzes begleitet. Weltweit kommt eine Vielzahl weiterer rechtlicher Mittel zum Einsatz. Geklagt wird zum Beispiel wegen Erpressung, wegen des Verstoßes gegen Markenrechte oder auf der Basis von Anti-Mafia-Gesetzen.

Wie könnte man verhindern, dass eigentlich sinnvolle Gesetze, die Menschen vor schädlichen Handlungen schützen sollen, auf diese Weise missbraucht werden? Müssen wir einfach zusehen, wie die Reichen und Mächtigen Gerichte und Gesetze auf Kosten der Allgemeinheit für ihre Interessen missbrauchen? Das müssen wir nicht. Davon war zumindest eine Reihe von EU-Abgeordneten in Brüssel überzeugt, die vor und nach den Europawahlen 2019 eine Anti-SLAPP-Gesetzgebung forderten. 

Vor diesem Hintergrund veröffentlichte die Menschenrechtskommissarin des Europarats, Dunja Mijatovic, einen Artikel auf der Webseite des Europarates, durch den sie das Bewusstsein für das Problem der SLAPPs zu schärfen versuchte und in dem auch sie die Notwendigkeit von Anti-SLAPP-Gesetzen betonte. Als Beispiel für einen SLAPP-Prozess verwies sie dabei ausdrücklich auf den Pestizidprozess in Südtirol. (Südtirols Obstwirtschaft hatte es zu zweifelhaftem Ruhm in Europa gebracht.)

Um dem Gesetzesvorhaben der EU-Abgeordneten Rückenwind zu verleihen, startete das Umweltinstitut München, zusammen mit CASE (Coalition against SLAPPs in Europe) und der Organisation ‚Rettet den Regenwald‘, die ebenfalls zum SLAPP-Opfer geworden war, eine Petition für eine solche EU-Richtlinie, die von mehr als 200.000 Menschen unterschrieben wurde. 

Auf Basis der Forderungen von CASE schlug die EU-Kommission schließlich das folgende Maßnahmenpaket vor.

  • Frühzeitige Abweisung: SLAPP-Opfer sollten die Möglichkeit erhalten, beim Gericht einen Antrag auf frühzeitige Abweisung der Klage zu stellen. Das Gericht müsste dann prüfen, ob es sich um eine missbräuchliche Klage handelte. Sollte sich dieser Verdacht bestätigen, könnte es die Klage noch vor Beginn der eigentlichen Verhandlung abweisen.
  • Umkehr der Beweislast: Nicht die Person, die vor Gericht gezerrt wurde, wäre in der Pflicht zu beweisen, dass es sich um einen SLAPP handelte, sondern die Kläger müssten beweisen, dass dies nicht der Fall wäre.
  • Kostenausgleich: Würde eine Klage vom Gericht als SLAPP identifiziert und frühzeitig abgewiesen, hätten die Kläger die Pflicht, die zu Unrecht Angeklagten für die entstandenen Kosten zu entschädigen.
  • Sanktionen: Diejenigen, die SLAPPs anzettelten, sollten durch Strafzahlungen sanktioniert werden. Dadurch sollten Unternehmen, Regierungen und mächtige Einzelpersonen in Zukunft davon abgehalten werden, Kritiker:innen vor Gericht zu zerren. 

Doch bevor eine EU-Richtlinie in Kraft treten kann, müssen zunächst die Regierungen aller EU-Mitgliedsstaaten zustimmen. Manche Parteien und Politiker:innen stellen sich jedoch lieber auf die Seite der Reichen und Mächtigen, statt die Zivilgesellschaft zu stärken, das Herzstück unserer Demokratie. 

Die Folge: Das vorgeschlagene Paket wurde verwässert. Entscheidende Schutzmaßnahmen für SLAPP-Betroffene wurden gestrichen oder so weit eingeschränkt, dass sie kaum noch Wirkung entfalten würden.

Ohne einen grundlegenden Schutz der freien Meinungsäußerung, vor allem in Bereichen, die für uns alle von Bedeutung sind, stirbt jedoch unsere Demokratie. Und manchmal stehen für Aktivist:innen und Journalist:innen nicht nur Meinungsfreiheit und Demokratie auf dem Spiel, sondern sogar ihr Leben.

Manchmal schlägt der Versuch, die Staatsgewalt gegen Kritiker einzusetzen – sogar innerhalb der EU – in andere Formen von Gewalt um. Am 16. Oktober 2017 wurde Daphne Caruana Galizia in der Nähe ihres Hauses in ihrem Auto durch eine ferngezündete Bombe ermordet. 

Zum Zeitpunkt ihrer Ermordung sah sie sich mit mehr als 40 SLAPP-Verfahren konfrontiert. Zivil- und strafrechtliche Verleumdungsklagen hatte beispielsweise die Pilatus Bank erhoben, der aufgrund von Geldwäschevorwürfen die europäische Banklizenz entzogen wurde, außerdem Joseph Muscat, der im Januar 2020 wegen seines Umgangs mit dem Fall Caruana Galizia vom Amt des maltesischen Premierministers zurücktreten musste, Keith Schembri, Muscats ehemaligem Stabschef, sowie eine Reihe von Kabinettsminister:innen und politischen Spender:innen.

Zwei Jahre nach Caruana Galizias Tod kämpften ihr Witwer und ihre Söhne immer noch gegen 27 dieser kostspieligen SLAPP-Klagen. 

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